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Leserproduktion Jakobsweg: der erfolgreichste Amateurfilm - Teil 2

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Dreh und Bearbeitung

Ich bin erst einmal losgepilgert. Dann schrieb ich das Drehbuch – und fuhr noch einmal nach Spanien, um einige Szenen nachzudrehen. Vor allem die mit mir selbst, denn ich stand als Erzähler auch im Drehbuch. Das muss auch so sein: Bei diesem Thema, davon war ich überzeugt, würde ein unpersönlicher Bericht auch nur einen unpersönlichen Film liefern. Viele Aufnahmen von mir hat ein Bekannter gemacht, der mich auf der Nachtour begleitete. Außerdem brauchte ich für Szenen wie in den Kathedralen erst einmal eine Dreherlaubnis.

Beim Schnitt im Anschluss an die beiden Reisen nach Spanien merkte ich, dass der Film immer noch nicht wie aus einem Guss wirkte: Ich bin schließlich sogar noch zwei weitere Male in den Süden gereist, um weitere Szenen einzufangen, die mir fehlten. Erst dann stimmte mein Drehbuch mit dem Film überein – und eben auch mit meinen Erfahrungen beim Pilgern.

Vier Monate dauerte der Schnitt einschließlich der Erstellung des Kommentars und der Vertonung. Länger als alle Touren zum „Jakobsweg" insgesamt. Einmal mehr stellte ich fest, wie schmerzvoll doch die alte Cutter-Regel „Kill your Darlings" auch bei „Jakobsweg" zuschlug. Die schönsten Szenen fliegen raus, wenn sie nicht passen. Eine andere Einschränkung gebietet mein Verständnis von Ethik: Die Intimität etwa, mit der die Pilger die Jakobus-Statue umarmen, wollte ich achten. Das sind Momente, die nur den Menschen gehören sollten.

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Alles schwebt: Das Stabilisierungssystem Merlin sollte den Eindruck des Wanderns in „Jakobsweg" nacherlebbbar machen. Tiffen bietet es nun ab März 2012 in einer überarbeiteten Version als Merlin 2 an. In Deutschland vertreibt es Rovotech für etwa
850 Euro.
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Farbenpracht am Wegesrand: Der Filmemacher mit seinem Schwebestativ im Einsatz bei Castrojeri und das Bildergebnis – ein Schwenk, der Eingang in den Film fand.

Der Ton

Bei einigen Aufnahmen – etwa beim optisch sehr eindrucksvollen Ritterturnier in León – war im Hintergrund Hollywood-Musik zu hören. Darauf wollte ich nicht verzichten: Sie kontrastiert die ruhige Sequenz im Anschluss. Kurzentschlossen erhielt ein Musiker meines Bekanntenkreises, der nicht bei der Gema gemeldet ist, den Rohschnitt der Ritterszene. Er komponierte binnen drei Wochen darauf eine Musik. Da ich unverdächtigen Originalton (Klatschen, Trommelwirbel) dazu gemischt habe, klingt die Musik jetzt sogar „echter" als vorher.

Ich spreche bei meinen Vorträgen den Kommentar immer live. Darum traute ich mir das auch für den Film zu. Weil ich keine Sprecherkabine habe, der Ton aber gut klingen sollte, ging ich in ein Tonstudio. Ich wollte nämlich eine DVD zu meinen Vorträgen anbieten. Der Kommentar saß bei dieser ersten Fassung aber noch nicht so ganz. Wie einzelne Stellen besser zu betonen sind, lernte ich erst im Laufe der Zeit.

Das Tonstudio bot mir auch an, alle Sprechpausen mit Musik zu füllen. Doch in meinen Ohren ist das eine grobe Unsitte. Meine Zuschauer konnten ja schlecht weglaufen – sie sollten die Ruhe auch so erleben: ruhig. Natürlich enthält mein Film auch Szenen mit Musikuntermalung, aber eben keine Nötigungshäppchen für ein anscheinend an Aufmerksamkeitsschwäche leidendes Publikum. Offenbar lag ich damit richtig: Für die unterlassene Musikeinspielung habe ich später häufig Lob erhalten.

(jos)