Beim Videoschnitt geht es nicht darum, ein Programm richtig zu beherrschen, sondern darum, die Sinne fürs Sehen zu schärfen, damit man beim Editing gleich erkennt, wie die Wirkung aufs Publikum ist. Der erste Teil unseres dreiteiligen Workshops gibt Anregungen für den schnellen Video-Import, die passende Titelgestaltung und die richtigen Einstellungslängen.
Erst im Schneideraum wird aus den Bildern eine Geschichte. Die richtige Anordnung, Tempo und Rhythmus wecken beim Zuschauer Stimmungen und Reaktionen. In erster Linie ist es eine Sache des Gespürs, diese Stimmungen zu erzeugen und zu lenken. Doch es gibt klare Gestaltungsregeln, die einem den Einstieg leichter machen. Und ist der Blick für die richtigen Bilder mal geschult, lernt man schnell selbst weiter. Deshalb geht es in diesem Workshop auch nicht darum, was ein Programm kann und wo welcher Button liegt (auch wenn das natürlich auch gelernt sein will). Sondern um das, was man mit all diesen Knöpfchen anstellen kann.
Wir haben als Basis für unsere Tipps auf die neuste Version von Cyberlinks Power Director zurück gegriffen, denn das Programm ist leicht zu bedienen und bietet gleichzeitig eine hohe Leistung und Funktionalität. Damit schlägt es die Brücke zwischen Einsteigern und engagierten Cuttern. Doch auch wenn die Screenshots auf diesem Programm aufbauen – die Tipps für die Filmgestaltung lassen sich selbstverständlich mit jedem anderen Schnittprogramm ebenfalls umsetzen.
VOR DEM SCHNITT
Noch bevor der Einsteiger mit der eigentlichen Schnittarbeit beginnen kann, muss das Rohmaterial erst einmal in die Schnittsoftware gelangen. Dieser „Datei-Import" ist gerade bei viel Filmmaterial ein Zeitaufwand, der nicht zu unterschätzen ist. So manche Schnittsoftware wandelt das Format des verwendeten Rohmaterials in einen anderen Codec oder in sogenannte Proxy-Dateien für eine schnellere Bearbeitung, wie es auch der von uns verwendete Power Director 11 beherrscht. Sinnvoll deshalb: Den Import so früh wie möglich anstoßen, bestenfalls sogar am Vorabend des eigentlichen „Schnitt-Tages". So kann der eigene „Rechenknecht" die Dateien bequem über Nacht abarbeiten.
Damit ist die Vorarbeit aber noch nicht erledigt. Nach dem Einlesen der Dateien muss man brauchbares von nicht brauchbarem Videomaterial trennen. Während dieses Arbeitsschritts wählt man die wichtigen Clips aus, sortiert sie in virtuelle Ordner und benennt die Dateien mit sinnvollen Namen – etwa Szene und Einstellung, angehängt an den originalen Dateinamen. Auch das Vergeben von Schlagwörtern oder Kommentaren führt zu mehr Übersicht und erleichtert das Wiederfinden von wichtigen Filmschnipseln enorm. Wer hier ordentlich ist, spart am Ende Zeit, denn das vermeidet langwieriges Suchen.
Der Power Director 11 ist imstande, das Videomaterial zu analysieren und bestimmte Details wie Farben, Gesichter, Kamerazoom oder Wackeln in einem Clip zu erkennen. Auch danach kann man sortieren und dann passende Filmschnipsel kombinieren.
Das „inhaltsbewusste Arbeiten" erlaubt beim Power Director 11 das Analysieren von Filmschnipseln, wobei das Programm bestimmte Merkmale im Film (etwa Kamerazoom, Bewegungen oder ein Gesicht) erkennt. Die einzelnen Abschnitte markiert es entsprechend – der Cutter kann die Szene direkt in die Timeline transportieren.
Den Titel wählt der Cutter im Power Director 11 über die Menüleiste auf der linken Seite. Nach dem Ziehen in die Timeline genügt ein Doppel-Klick auf das Titel-Element. Im neuen Fenster offeriert die Software unter anderem Einstellungen für Farbe, Schrift und Animation.
DER VORSPANN
Der Vorspann trägt wesentlich zu Erfolg und Misserfolg des Films bei, denn er ist das erste, was der Zuschauer sieht. Deshalb darf er nicht durch gezwungen lange Passagen langweilen. Vielmehr soll er zum Thema hinleiten und das Wichtigste auf den Punkt bringen. Weniger ist mehr – das gilt auch hier. Klassischer Fehler vieler Cutter ist, dass sie die Einleitungs-Szene lang und pompös, angelehnt an bekannte Hollywood-Produktionen, präsentieren wollen. Wenn aber lediglich zwei Leute an einem Projekt mitgewirkt haben, müssen die auch nur einmal Erwähnung finden und nicht für jede Rolle separat aufgezählt werden. Andernfalls wirkt der Vorspann nicht professionell, sondern eher peinlich.
Bei sehr kurzen Filmchen zeigt man idealerweise lediglich den Titel, der schlicht, aber passend die Eigenkreation benennt. Wichtigstes Merkmal hierbei: der richtige Schrifttyp. Basiert der Film auf einem persönlichen oder romantischen Thema, bietet sich eine Schreib- oder Schmuckschrift mit zierenden Serifen (das sind die „Füßchen" an den Buchstaben) an. Technische Beiträge und Dokumentationen versieht man stattdessen besser mit einem nüchternen, serifenlosen Font.
Die Farbe des Titels lehnt sich im Idealfall am Bild an. Wahlweise ist es ein Farbton aus dem Bild oder ein dazu komplimentärer. Alternativ bietet sich noch immer die klassischste Variante an: weiße Farbe auf schwarzem Grund. Liegt der Titel auf einem sehr hellen Videobild, kann auch eine Transparenz, eventuell mit einer leichten Kontur, zu einem tollen Effekt führen. Ansonsten gilt: Spielen Sie mit Kontrastfarben zu der im Videobild dominierenden Farbe! Diese lässt sich meist ganz einfach mit dem Pipetten-Werkzeug aufnehmen und dann für die Schrift verwenden. Wildes Mischen von Schrift und Kolorierung ist ein „no go".
Wenn passend, kann der Schriftzug mit einer kleinen Animation versehen werden. Die meisten Programme bieten hier Vorlagen oder auch die Animation anhand von Keyframes. In unserem Beispiel wählten wir für unseren Titel einen passenden Gelbton zur dominanten gelben Farbgebung des Videobilds. Die Schrift ist schlicht, nicht zu verspielt.
Da im Bild zu diesem Zeitpunkt keine Bewegung stattfindet, wählten wir eine leichte Ein- und Ausblendung, die der Power Director 11 in Form mehrerer Vorlagen bereitstellt. Bei einer Bewegung des Protagonisten oder einem Schwenk würde sich aber auch eine entsprechende Bewegung des Titels anbieten. Bei einer ins Bild laufenden Person etwa ist eine Buchstaben-Animation immer eine schöne Option. Andernfalls könnte aber auch ein entgegen der Schwenkbewegung animierter Schriftzug passend sein. Hier muss man abwägen, ob es mit der Bewegung im Videobild harmoniert.
Unpassend wird es, wenn die Animation des Titels komplett entgegengesetzt zum Kameraschwenk läuft. Also etwa von links nach rechts statt von oben nach unten. Das ist für das menschliche Auge ungewohnt – und die Bewegung wird sofort als „disharmonisch" wahrgenommen.