Sony zeigt mit dem vorgestellten NEX-Camcorder, wie echte Lösungen für echte Filmer aussehen könnten. Ganz ehrlich: Ich habe den Hype um die Fotokamera als den besseren Camcorder ohnehin noch nie verstanden. Anstatt CAMCORDER mit größeren Bildwandlern und damit weniger Tiefenschärfe und mehr Lichtempfindlichkeit und Wechseloptiken zu FORDERN, haben wir Filmer viel zu oft lieber FOTOKAMERAS BEJUBELT, die fürs Filmen in der Praxis nur mit vielen Kompromissen tauglich zu machen sind - und ergonomisch oft eine Katastrophe dazu. Wir sind da meiner Meinung nach auch der Industrie auf den Leim gegangen, bei der sich der Irrglaube breitgemacht hat, jedes Gerät müssen immer noch kleiner werden und immer noch mehr Funktionen enthalten - und auf jeden Fall müsse ein Camcorder unbedingt auch noch perfekt fotografieren können. Das hat dazu geführt, dass wir in den letzten Jahren immer mehr kastrierte Camcorder bekommen haben, die weder Fisch noch Fleisch waren: schlecht zu bedienen, ohne filmtypische manuelle Funktionen, lichtschwach, aber vollgepackt mit "Abfall"-Funktionen aus dem Fotosektor. Mit dem Aufkommen von HD führte der allgegenwärtige Trend zu immer mehr Pixel auf immer kleineren Bildwandlern dann sogar zum Super-Gau: Nur um ausreichend vermeintlich nötige Fotoauflösung auf den Chip zu pressen, vernachlässigten die Hersteller die Lichtempfindlichkeit - Lowlight-Noten von "befriedigend" an abwärts bei den meisten (AVC)HD-Camcordern in den VIDEOAKTIV-Tests sprechen eine deutliche Sprache. Zum Teil hat der eher zufällig aus der Foto-Konkurrenz zwischen Canon und Nikon geborene Foto-Camcorder-Hype sogar drastische Auswirkungen für die Camcorder-Umsätze und den entsprechenden Markt: Statt einen Canon-Camcorder XH A 1 S für 4400 Euro zu erwerben kaufte der Filmer plötzlich eine EOS 5D Mk II für 2500 Euro. Ãœber weitere 2000 und mehr Euro für Nachrüst-Zubehör freuten sich dann eher die entsprechenden Spezialhersteller. Zwar hatte damit ein Filmer eine Filmkamera gekauft - der Erlös wurde aber im Foto-Sektor verbucht. Umsatz halbiert, eigene Produktgruppe geschwächt - das war wohl nicht im Sinne des Erfinders. Oder am Beispiel Panasonic: Ob es klug war, die eigenen Kompakt-Fotokameras mit AVCHD-Video aufzurüsten? Wer kauft denn jetzt noch einen 150 Euro teureren Einsteiger-Camcorder, wenn er schon für 300 Euro eine Fotokamera haben kann, die vermeintlich auch noch optimal als AVCHD-Videokamera taugt? Aus Sicht des Konsumenten ein Schnäppchen - denn es ist ja toll, wenn die Zeche vermeintlich der Hersteller zahlt. Aber wohin das Verramschen von Technik führt, haben wir ja die letzten Jahre gesehen: zu immer schlechteren, praxisfern ausgestatteten Allround-Kameras, die viele erfahrene Filmer gar nicht mehr ansprechen, für den absoluten Laien aber wiederum zu komplex sind. Anders als viele Hersteller scheint Sony seine Lektion gelernt zu haben - ausgerechnet (oder gerade deswegen?) der Hersteller, der in den letzten Monaten für seine neuen Camcorder kritisiert wurde: Anders als Canon oder Panasonic zwingt Sony den Filmern nicht einen Fotoapparat auf, wenn sie denn mit weniger Schärfentiefe oder bei weniger Licht oder gar mit Wechselobjektiven filmen wollen, sondern verspricht ihnen einen echten Camcorder mit diesen Eigenschaften. In meinen Augen der einzig richtige Weg. Denn eine typische Fotokamera mit Videofunktion ist ein untauglicher Kompromiss. Kleines Beispiel aus der Praxis gefällig? Ich war am letzten Wochenende mit einem Bekannten bei einem Konzert, in dem er stolz seine neue Fotokompaktkamera mit AVCHD-Filmfunktion ausprobieren wollte, um Clips der auftretenden Bands zu drehen - und nicht mit seinem Camcorder. Zum Ende der Veranstaltung war der arme Mann reif für den Physiotherapeuten, so verkrampft war er vom ständigen "Hände-hoch-Filmen" wegen des festeingebauten Displays. Was fürs schnelle Foto ganz praktisch ist, ist für längerdauernde Filmaufnahmen eben eine Qual ... Darum kann eine gängige Foto-Video-Kombination immer nur ein Notbehelf sein, aber kein Ersatz für einen Camcorder. Hoffen wir, dass das nicht nur Sony kapiert hat, sondern auch der Rest der Hersteller - und endlich wieder die Kameras baut, die Filmer wirklich wollen. Denn die reinen Ex-und-hopp-Filmer wird sicher eines Tages das Handy bedienen. Aber: Wir bekommen in der Redaktion tagtäglich Anrufe und Mails von Filmern, die gerne auf HD umsteigen würden, wenn es endlich wieder Camcorder gäbe, die zumindest den Bedien- und Funktions-Standard böten, der bei ihren alten Hi8-, S-VHS- oder DV-Camcordern normal war. Und die bis dahin im Kaufstreik sind ... Sony hatte sich die letzten Jahre ja beharrlich "geweigert", in seine Top-Consumer-Cams einen Fokusring einzubauen. Mit dem Umweg über den Sony-NEX-Camcorder und seine Wechseloptiken bekommen wir vielleicht wieder einen. Plus weniger Schärfentiefe für kreativere Aufnahmen und mehr Lichtstärke bei weniger Artefakten und Rauschen. Dann würde die Zwangsehe von Foto und Video vielleicht sogar zu einer Traumhochzeit. Und dann soll´s mir auch recht sein ... (he) Foto und/oder Video: Eine Kamera für alles? Sony scheint eher auf echte Kameras für Filmer wie Fotografen als auf unausgegorene Zwitter-Lösungen zu setzen. Wir meinen: recht so! Sony NEX-Camcorder: Noch eine Studie, hoffentlich zum Herbst Realität - ein Camcorder mit großem Bildwandler und Wechseloptik. Micro Four Thirds-Profi: Anders als Sony hat Panasonic (Broadcast) vorerst nur einen Wechseloptik-Fotocamcorder im unteren Profibereich angekündigt. Der AG-AF 101 im HVX-/HMC-Look wird wohl eher eine Preismarke um 5000 Euro setzen, als mit Sonys NEX zu konkurrieren. Ergonomie: Noch lacht das Foto-Model, doch das dürfte ihm bald vergehen - denn längeres Filmen in dieser Zwangshaltung ist kein Zuckerschlecken, auch wenn besagter Fotoapparat zumindest ein Klapp-Display mitbringt. Infos zum Hersteller: Sony Â